BEHALTE DEINE RESSENTIMENTS BEI DIR
EINE ENTGEGNUNG

Volker Schmidt, der als Regisseur an der GARAGE X tätig war und auch in der laufenden Saison sein wird, hat auf seiner eigenen Homepage eine „Polemik“ gegen Dramaturgen verfasst, die wir nicht unkommentiert lassen wollen und können. Denn Schmidts „Stilübung“ ist durchzogen von Gedanken, die wir als gegensätzlich zu den Anliegen unserer Arbeit am Theater empfinden. Da sich die GARAGE X aber nicht dem Vorwurf aussetzen will, die am Haus arbeitenden Künstler einer wie auch immer gearteten Zensur auszusetzen, es uns gleichwohl aber ein wichtiges Anliegen ist, den Text von Volker Schmidt nicht unkommentiert stehen zu lassen, antwortet Lukas Franke, der das Leitungsteam seit vielen Jahren dramaturgisch berät, auf Volker Schmidt.

In Volker Schmidt muss sich über die Jahre eine gewaltige Wut auf Dramaturgen aufgestaut haben, anders ist der polemische Furor nicht zu erklären, mit dem der Verfasser die argumentative Keule schwingt. Denn Dramaturgen sind dem Autor ausnahmslos unfähige und gescheiterte Existenzen, die, „vom Schicksal im Stich gelassen“, mit einem „völlig abstrakten Theaterbegriff aus der Universität entlassen“ würden, allenfalls vergleichbar den dem Autor ähnlich verhassten Theaterkritikern. Dramaturg sein, das sei ein „biographisches Missgeschick“, das nur jenen passiere, die „mangels bestandener Aufnahmeprüfung oder mangels Mut“ nicht Schauspiel oder vielleicht noch Regie, sondern Theaterwissenschaften studierten.

Fortan malträtierten von Minderwertigkeitskomplexen geplagte Kreaturen mit ihrem „völlig künstlichen Beruf des Dramaturgen“ die urwüchsige Kreativität des fahrenden Volks. Denn sie würden, da sie selbst „nicht ihre Sinnlichkeit und Fantasie künstlerisch entfalten können“, nun die echte, ungebrochene Kraft des Künstlers mit allen Mitteln zu verhindern versuchen und nichts außer einer „rein intellektuellen Herangehensweise“ gelten lassen, die mit dem „Wesen des Theaters“ nichts zu tun habe.

Volker Schmidt verrennt sich nicht nur historisch, in dem er den Dramaturgen „als Zensor“ in eine Traditionslinie zum Idealisten und Dramaturgen Lessing stellt, der immerhin als Mitbegründer der von Herrn Schmidt so urwüchsig imaginierten deutschen Stadttheatertradition gilt. Der gelernte Method-Actor gesteht letztlich nur dem Berufsstand der Schauspieler zu, eine echte Berechtigung zur Arbeit an einem Theater zu haben, bestenfalls umgeben von einer munteren Schar von lachenden und weinenden Maskenbildnern. Darum versucht er, wo er schon dabei ist, auch Regisseure und Intendanten für ihre kollektive „Fantasielosigkeit“ und das Verwenden „intellektueller Begriffe“ abzustrafen. Am schlimmsten gilt ihm dabei jedoch stets der Dramaturg, der das übrigens „von der Wirtschaft unterwanderte“ System Theater aus reinem Willen zum Machterhalt vor Veränderungen schütze.

Nun könnte und sollte man dies alles einfach ignorieren und sich allenfalls über die verkehrte Welt im Kopf des Autors wundern, in der etwa ausgerechnet das Theater von der Wirtschaft unterwandert ist. Man könnte und sollte den ausgestellt subjektiven Tonfall des Künstler-Künstlers ignorieren, der so offensichtlich in die viel zu großen Fußstapfen eines Thomas Bernhard treten will oder das Theater-Klein-Klein, dem sich der Autor ausführlich widmet. Leider ist der Text aber darüber hinaus durchzogen von antimodernen und essentialistischen Ressentiments, die kennzeichnend für autoritäres, chauvinistisches Denken sind und von denen sich die GARAGE X hiermit öffentlich deutlich distanzieren möchte.

Schon bei der harschen Kritik am unklar abgegrenzten Aufgabenbereich der Dramaturgie wird eine Angst vor dem Flüchtigen, Liquiden und Diffusen deutlich, die auf einen zutiefst verunsicherten und autoritären Charakter hinweist. Der Dramaturg bleibt Volker Schmidt suspekt, weil er und sein Aufgabenbereich häufig wechselnd und schwer zu fassen sind und zumeist nur im Hintergrund Wirkung zeigen. Das setzt sich fort in der Rede von der unumstößlichen „Natur“ des Intellektuellen (respektive Dramaturgen), der das „Wesen des Theaters“ nicht verkörpere und die freie Entfaltung von Fantasie und Sinnlichkeit gezielt verhindere. Hier offenbart der Autor eine narzisstische Kränkung, die ihn fortwährend dazu zwingt, sich selbst auf Kosten anderer aufzuwerten. Konsequenter Weise verleitet ihn dieser Zwang zu Aussagen, die an antisemitische Motive erinnern, etwa wenn der Autor davon schreibt, dass das von Dramaturgen angeblich unterwanderte Theater durch den grassierenden „dramaturgischem Ungeist sich selbst völlig entfremdet“ sei und Schauspieler darin „nicht mehr ihren seit ihrer Kindheit innewohnenden Spielimpulsen“ folgen dürften. Hier bedient er klischeehafte Denkmuster, die das urwüchsig Autochthone von einer hinterhältigen, zersetzenden und zugleich überlegenen Macht in seiner schieren Existenz bedroht sehen. Ähnlich verhält es sich mit anderen Textstellen, etwa der Mutmaßung, Dramaturgen würden sich stets „fremd und ungebeten zu fühlen“ und zudem kollektiv an Depressionen leiden, einem ihm sicherlich ebenso verdächtigen, weil diffusen und schwer zu fassenden Leiden.

Schmidt offenbart sich mit seinem Text als einer, der mit einer ihm überkomplex erscheinenden Gegenwart überfordert ist und darum Halt sucht in altbekannten Ressentiments, die diese wieder beherrschbar erscheinen lassen. In seiner Welt ist das Theater eine bunte Gaukler-Truppe, in der am Abend „der Lappen hochgeht“ und an der Gustav Gründgens seine helle Freude gehabt hätte. Denken ist hier verdächtig, es könnte eindeutige Gewissheiten zum Einsturz bringen und die klaren Zuordnungen aufheben, mit denen der verletzte Narzisst durch die Welt navigiert.

Dieser Zugang zu Welt ist jedoch unvereinbar mit dem Ansatz der GARAGE X, einem Ort, der sich in seiner grundsätzlichen Ausrichtung einem progressiven Theaterbegriff und einer kritischen, skeptischen Befragung der Welt verschrieben hat. Ein Ort also, der als kleines Theater gegenwärtig Platz für zwei Dramaturgen hat.


Meldungen


  • Garage X wird zu WERK X

    Sie befinden sich auf der alten Seite der Garage X (2009-2014).

    Den aktuellen Spielplan des WERK X finden sie unter www.werk-x.at!

     
  • GARAGE X liest:

    5 JAHRE GARAGE X


    © Alex Halada

    Nach 5 Jahren Theaterarbeit mündet diese nun in einem Buch mit vielen Fotos und Gastbeiträgen namhafter TheatermacherInnen, MusikerInnen und KünstlerInnen wie Nicolas Stemann, Schorsch Kamerun, Angela Richter und Milo Rau.

     
  • Internationale Presse über GARAGE X

    "Ein typisches Beispiel für den lässig-unaufgeräumten Stil, den die GARAGE X etabliert hat." - Wolfgang Kralicek, Theater heute, Februar 2013

    "Alexander Simon (...), ein fabelhaft eitles Mistviech, der den Autor Houellebecq mit scharfer Kontur verkörpert." - Egbert Tholl, Süddeutsche Zeitung, 21.11.2012

    "...In Berlin im Hau oder in Wien in der Garage X, dort trifft man dann auf die Magie, die dem Stadttheater längst abhandengekommen ist..."
    Peter Kern, Das Theater schafft sich ab, FAZ am Sonntag, 02.05.2011

    "Die Garage X in Wien gilt als Ort, an dem sich auf fruchtbare Weise gesellschaftliche Gegenwart mit zwingenden Theatererlebnissen verbindet."
    Hamburger Abendblatt, 08.12.2011

    "Die Garage X tut sich als eines der führenden Theater Wiens hervor mit Gastspieleinladungen wie ans Hamburger Thalia Theater und Lob in der FAZ"
    Dorothee Frank, Ö1, 28.01.2012

     
  • Kooperationen

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  • Palais Kabelwerk, GARAGE X und daskunst freuen sich über neues Projekt ab 2014

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    © WERK X

    Wien (OTS) - Wie bei der Pressekonferenz der Wiener Theaterjury am Freitag 15.02.2013 durch den amtierenden Kulturstadtrat Dr Andreas Mailath Pokorny bekannt gegeben, werden das Palais Kabelwerk und die GARAGE X unter Partizipation der Gruppe dasKunst ab 2014 ein gemeinsames Projekt starten.
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